Fotografische Untersuchung des Kantons Waadt

Der Blick von sechs Fotografen
28.06 – 28.09.2025

Mit dem Ziel, die lebendigen Traditionen des Kantons Waadt, die im Inventar des immateriellen Kulturerbes aufgeführt sind, fotografisch zu dokumentieren, hat der Kanton Waadt sechs im Rahmen eines Wettbewerbs ausgewählte Fotograf:innen mit der Verwirklichung bislang ungesehener Projekte beauftragt. Thomas Brasey, Olga Cafiero, Sarah Carp, Matthieu Gafsou, Yves Leresche und Romain Mader enthüllen in dieser Ausstellung die Ergebnisse ihrer fotografischen Recherche, bevor ihre Bilder in die Sammlung von Photo Elysée aufgenommen werden.

Künstler·innen

THOMAS BRASEY

BÖSER JORAT

Geboren in den 1980er Jahren, lebt und arbeitet Thomas Brasey in Lausanne. Nach seiner Promotion in metallorganischer Chemie an der EPFL absolvierte er eine Ausbildung in visueller Kommunikation an der ECAL (École cantonale d’art de Lausanne). Er stellt regelmäßig in der Schweiz und im Ausland aus und wurde unter anderem mit der Enquête photographique fribourgeoise (2015) und der Enquête valaisanne (2020) ausgezeichnet. Ihn interessieren besonders das Spiel mit Zeitebenen und die Verbindung vergangener Ereignisse mit der Gegenwart.

In seinem Projekt widmet er sich der „Nouvelle Compagnie des Brigands du Jorat“, deren reale oder imaginierte Aktivitäten er dokumentiert. Diese Gruppe hat sich heute zur Hüterin der Kultur und des Gebiets des Jorat gewandelt. Seine Arbeit bringt ein bedeutendes Kapitel der Waadtländer Geschichte ans Licht – mit Gesten, die Tradition mit Gegenwart verbinden.

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OLGA CAFIERO

EPHEMERIS

Geboren 1982, besitzt Olga Cafiero einen Bachelor in visueller Kommunikation sowie einen Master in künstlerischer Leitung (Fotografie) von der ECAL. Sie gewann 2011 den Prix Suisses de design, wurde für das Foam Talent ausgewählt sowie 2012 für das Festival international de la mode, de photographie et d’accessoires de Hyères. 2022 war sie erneut Finalistin des Prix Suisses de design und führte die Enquête photographique neuchâteloise durch.

Ihr Projekt dokumentiert Praktiken aus dem Almanach Messager Boiteux aus Vevey und Bern – von Hausmitteln über astrologische Kalender bis hin zu Wettervorhersagen – um die Faszination unserer Gesellschaft für mystische Elemente zu hinterfragen. Auch die Verbindung zwischen Volksglauben und moderner Wissenschaft wird untersucht. Geplante Kooperationen bestehen mit der Universität Lausanne, dem Institut des humanités en médecine (IHM), dem Meteorologischen Zentrum Lausanne und dem Office fédéral de l’agriculture.

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SARAH CARP

MECHANISCHER TRAUM

Geboren 1981 in Zürich, lebt Sarah Carp in Yverdon-les-Bains. Sie hat die École de photographie in Vevey abgeschlossen. Ihre fotografischen Arbeiten wurden vielfach ausgestellt und in verschiedenen Wettbewerben und Festivals in der Schweiz und im Ausland ausgewählt. Sie erhielt mehrere Auszeichnungen, darunter den Prix CEPY des Réseau culturel régional du Nord Vaudois sowie den Prix Focale – Ville de Nyon im Jahr 2019.

Das prämierte Projekt ist eine poetische Reise in die Welt der Spieluhren und Automaten. Die kürzlich ins immaterielle Kulturerbe der UNESCO aufgenommene und für den Kanton stolze mechanische Kunst fasziniert und strahlt sowohl national als auch international von der Region Sainte-Croix aus. Ihre intime und sensible Herangehensweise an dieses kostbare Know-how ist eine wahre Ode an die Langsamkeit und Präzision in einer Zeit der digitalen Hektik – und hat die Jury überzeugt.

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MATTHIEU GAFSOU

LA LIBERTÉ N'EST PLUS UN RÊVE [FREIHEIT IST KEIN TRAUM MEHR]

Geboren 1981, hat Matthieu Gafsou einen Masterabschluss in Literatur von der Universität Lausanne und eine fotografische Ausbildung an der École supérieure d’arts appliqués in Vevey absolviert. Er nahm an zahlreichen Gruppen- und Einzelausstellungen teil und veröffentlichte sieben Monografien. Seine Arbeit genießt internationale Anerkennung.

Sein Projekt untersucht, wie die Rituale der Jeunesses vaudoises zur Schaffung einer regionalen Mythologie beitragen – mit eigenen Codes, Prüfungen, Übergangsritualen und Helden. Mit einem bewusst spielerischen Ton möchte er ein reichhaltiges, komplexes und rhythmisch aufgebautes fotografisches Werk schaffen.

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YVES LERESCHE

MIT DEM ZIRKUS HELVETIA

Geboren 1962, arbeitet Yves Leresche für verschiedene Pressemedien in der französischsprachigen Schweiz und international sowie für öffentliche Institutionen. Über 30 Jahre hinweg hat er drei bedeutende dokumentarische Projekte über Roma-Minderheiten in Europa realisiert – stets mit Fotografie, einem Buch und einer Wanderausstellung im öffentlichen Raum.

Sein Projekt begleitet während neun Monaten die Tournee des Zirkus Helvetia aus Moudon und seiner Gründerfamilie Maillard. Durch Porträts der Künstler – sowohl im Rampenlicht als auch in Nebenrollen (wie Zuckerwatteverkäufer oder Empfangspersonal) – sowie durch Aufnahmen des Publikums, will er den gesamten Lebens- und Zeitrhythmus des Zirkusalltags einfangen.

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ROMAIN MADER

DAS PAPET

Geboren 1988, besitzt Romain Mader einen Bachelor in Fotografie von der ECAL und einen Master von der Zürcher Hochschule der Künste. Er hat an zahlreichen Ausstellungen und Publikationen teilgenommen und erhielt 2017 den FOAM Huf Award. Einige seiner Werke befinden sich in öffentlichen Sammlungen, darunter das Museum of Photography in Amsterdam.

Sein Projekt will das lokale Handwerk, die Produktion und die sozialen Beziehungen in seinem Heimatbezirk Aigle würdigen. In Praktika bei lokalen Produzent:innen und Handwerker:innen dokumentiert er – mit einer Prise Humor – alle Schritte der Zubereitung des typischen Waadtländer Gerichts: vom Anbau der Lauch- und Kartoffelpflanzen über die Schweinezucht und -schlachtung bis hin zur Herstellung der Kohlwürste.

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Interviews

Hinter den Kulissen der mechanischen Kunst mit Sarah Carp

„Die mechanische Kunst führt uns zum Wesentlichen zurück.“

Die Fotografin Sarah Carp entführt uns in ein Universum, in dem mechanische Präzision auf visuelle Poesie trifft.

In diesem Interview spricht sie über die Entstehung ihrer Serie Rêve mécanique, inspiriert von Automaten, Spieluhren und singenden Vögeln. Sie teilt ihren kreativen Prozess, ihre Arbeit mit Taschenlampenlicht und die menschlichen Begegnungen, die ihren Ansatz bereichert haben.

Ein einfühlsames Eintauchen in die Welt der Fotografie, des Handwerks und des Staunens.

Der ZIRKUS HELVETIA, ein Mikrokosmos dokumentiert von Yves Leresche

„Mir wurde klar, dass es eine ikonografische Leere gab.“

Der Fotograf Yves Leresche hat mehrere Monate im Zirkus Helvetia verbracht und die Künstler in ihrem Alltag begleitet.

Sein dokumentarischer Ansatz beleuchtet die menschliche Dimension eines Mikrokosmos, der gewöhnlich nur durch seine Vorstellungen wahrgenommen wird. Mit seinen Fotografien offenbart er die vielfältigen Rollen der Künstler, ihren Alltag, ihre Wanderungen – und trägt dazu bei, eine ikonografische Lücke über diese wenig dokumentierte Realität zu schließen.

Ein starkes visuelles Zeugnis, zwischen sozialem Blick, ästhetischer Sensibilität und dem Engagement für ein umfassenderes kollektives Gedächtnis.

Eintauchen mit Matthieu Gafsou in die Welt der Landjugenden

„Seit 20 Jahren habe ich die Landjugenden im Kopf.“

Zwischen festlichen Ritualen, lokaler Solidarität und kulturellen Codes fängt Matthieu Gafsou das Wesen der Landjugenden ein.

Sein Projekt erforscht die unsichtbaren Verbindungen, die die Mitglieder dieser Gemeinschaften verbinden, und hinterfragt die Beziehung zwischen Stadt und Land. In diesem Gespräch enthüllt er seine künstlerischen Entscheidungen, seine Inspirationsquellen und seine Art, die lokale Verankerung in eine universelle Erzählung zu verwandeln.

Thomas Brasey untersucht den Mythos der Briganten des Jorat

„Was ich an diesen fotografischen Recherchen spannend finde, ist, dass sie uns dazu bringen, Themen zu erkunden, die wir sonst vielleicht gar nicht in Angriff genommen hätten.“

Der Fotograf Thomas Brasey hat sich mit dem Mythos der Briganten des Jorat auseinandergesetzt – einer Legende, die tief im Waadtländer Kulturerbe verankert ist – und zwar durch die Nouvelle Compagnie des Brigands du Jorat.

In dieser Serie bietet er eine Immersion in die Landschaft des Jorat, wo Vergangenheit und Gegenwart ineinanderfließen. Vom Tagesanbruch bis zur Nacht tauchen die Briganten allmählich auf, verkörpern eine latente Bedrohung, die durch die drückende Atmosphäre der Bilder und die Schwaden roten Rauchs noch verstärkt wird.

Mit dieser Arbeit stellt der Künstler Fragen nach der Kraft kollektiver Erzählungen, ihrer Weitergabe und ihrer zeitgenössischen Inszenierung.

Interview geführt von Julie Dayer
Video: © Elise Gyger/Photo Elysée/Plateforme 10

Romain Mader lüftet die Geheimnisse des Waadtländer Papets

„Es geht vielmehr um eine Einladung, zu verstehen, woher all die Zutaten kommen.“

Der Fotograf Romain Mader ist in seine Heimatregion Aigle zurückgekehrt, um Schritt für Schritt die Zubereitung des Papet vaudois nachzuzeichnen – eines Gerichts, das seine Großmutter für ihn kochte und das zu den prägenden kulinarischen Erinnerungen seiner Kindheit gehört.

Gedacht als visuelle Erzählung, stützt sich sein Projekt auf ein zuvor verfasstes Skript, wobei jede Fotografie einen Teil der Geschichte illustriert. Bei seiner Arbeit mit Landwirtinnen, Viehzüchterinnen und Metzger*innen dokumentiert er das lokale Wissen und Können, das dieses traditionelle Gericht möglich macht.

Durch diese Arbeit stellt der Künstler Fragen nach Erinnerung, kulinarischen Traditionen und der Weitergabe eines regionalen Erbes, während er zugleich die Gesten sichtbar macht, die Erde, Menschen und Tisch miteinander verbinden.

Interview geführt von Julie Dayer
Video: © Elise Gyger / Photo Elysée / Plateforme 10

Olga Cafiero: die Sterne in Bilder verwandeln

„Mir wurde klar, dass der Almanach nicht nur ein Objekt ist, das man liest, sondern eines, das man laut vorliest.“

Die Fotografin Olga Cafiero hat sich in den Almanach des „Messager boiteux“ vertieft – eine seit 1707 populäre Publikation, die astrologische Vorhersagen, historische Erzählungen und praktische Ratschläge miteinander verbindet.

Mit diesem Projekt erforscht die Künstlerin das Fortbestehen von Glauben und Aberglauben in einer von Wissenschaft dominierten Welt. Zwischen Begegnungen, Recherchen und visuellen Experimenten bricht sie die Codes der Fotografie auf – von mit GoPros ausgestatteten Wettersonden bis hin zu in Klang verwandelten astronomischen Bildern – und stellt so Fragen zu unserem Verhältnis zu Wissen, Zeit und kollektiven Erzählungen.

Weltweit

Eine externe Version der Ausstellung, die sich an Menschen mit eingeschränkter Mobilität richtet, wird im Herbst 2025 lokalen Einrichtungen zur Verfügung gestellt. Die Abteilung Accès à la culture der Generaldirektion für Kultur leitet das Projekt.

Credits

Fotografische Untersuchung des Kantons Waadt. Der Blick von sechs Fotografen

Interviews
Interview geführt von Julie Dayer
© Elise Gyger / Photo Elysée / Plateforme 10

Kuratoriat
Lydia Dorner

Szenografie
Yannick Luthy

Grafikdesign
Emphase

Texte
Ariane Devanthéry
Lydia Dorner
Diana Pétament Martinez

Übersetzungen
Flavia Ambrosetti
Julia A. Noack
Christopher Scala

Druck
Abgraphics Fine Art Print
Actinic
Atelier Delachaux Photographie
Picto Paris

Rahmung
Actinic
Geiser Rahmen
Ted Support

Produktion
Fotografische Untersuchung des Kantons Waadt. Der Blick von sechs Fotografen ist eine Ausstellung, produziert von Photo Elysée, in Zusammenarbeit mit der Generaldirektion für Kultur des Kantons Waadt.

Partner

Die Ausstellung wird grosszügig vom Bundesamt für Kultur und von Piguet Galland unterstützt.